Die Initiative Feministischer Circus:
Sprachrohr für eine gleichberechtigtere Circusszene
→ Wer wir sind
Wir sind ein Zusammenschluss von Circusschaffenden im deutschsprachigen Raum. Seit 2021 sprechen wir über Diskriminierung und Machtverteilung in der Circusszene. 2022 gründeten wir die Initiative um unseren Wünschen, unserer Wut und unserem Änderungswillen eine Plattform zu geben.
→ Warum
Durch unseren Austausch wurde klar, dass unsere persönlichen Erfahrungen auf strukturelle Probleme zurückzuführen sind. Die Circusszene ist – wie unsere gesamte Gesellschaft – von patriarchalen und kapitalistischen Strukturen durchzogen und die vermeintliche Freiheit der romantisierten Vorstellung von Circus macht es manchmal umso schwieriger, diese Strukturen zu erkennen.
→ Was wir wollen
Wir rufen die Szene dazu auf, ihre Strukturen zu reflektieren und neue Wege zu finden, eine offenere und diskriminierungssensiblere Szene zu gestalten. Circus soll zugänglich sein – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Fähigkeiten, Klasse, sexueller Orientierung und weiteren zur Diskriminierung instrumentalisierten Faktoren. Wir organisieren Workshops, Austauschtreffen, Podiumsdiskussionen und sind immer auf der Suche nach neuen Konzepten. Was braucht die Circusszene, um für alle Menschen offen zu sein?
☼ Wenn Du Interesse hast, melde dich bei uns! Du kannst Dich in den Newsletter eintragen und auf dem Laufenden bleiben oder selbst aktiv werden. Die Initiative versteht sich als Dachorganisation und Anlaufstelle für alle Bestrebungen, eine fairere Circusszene zu gestalten.
Utopie
Wir kämpfen für eine niedrigschwellige, zugängliche Circusszene. Wir wollen gleichberechtigt besetzte Machtpositionen – oder bestenfalls die Abschaffung jeglicher Machtdynamiken. Wir wollen, dass jedes Circusindividuum den Platz einnehmen kann, den es braucht. Wir wollen das Kinder und Jugendliche sowie professionelle Artist*Innen sich im Training und auf der Bühne sicher fühlen. Dass sie weder Angst vor übergriffigen Berührungen noch Worten haben müssen. Dass keines ihrer persönlichen Merkmale ihnen den Zugang zu Training, Auftritten oder anderen Circusveranstaltungen verwehrt.
Feminismus
Unser Verständnis von Feminismus umfasst alle Bestrebungen nach Gleichstellung aller Menschen und nach einem respektvollen, inklusiven und nachhaltigen Miteinander. Wir erkennen an, dass Unterdrückungsmechanismen vielfältig und miteinander verwoben sind und sich gegenseitig verstärken. Das bedeutet, dass eine Person mehrere Formen von Diskriminierung gleichzeitig erfahren kann und dass Diskriminierungsformen nur in ihrer Verschränkung miteinander verstanden werden können (Intersektionaler Feminismus). So umfasst Feminismus für uns die Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sozialem oder biologischem Geschlecht, Gender & Geschlechtsidentität(en), sexuellen Orientierungen, Rassismus sowie Diskriminierung aufgrund einer Be_hinderung, des Alters, Körperrealitäten oder des sozialen Status und alle anderen Formen von Diskriminierung. Die Initiative feministischer Circus richtet sich gegen sexistische und patriarchale Machtstrukturen, sowie die kapitalistische Leistungsgesellschaft, in der Ausbeutung und Unterdrückung systemisch und strukturell verankert sind. Anstatt Wertigkeit ausschließlich an Leistung und Profit festzumachen, wollen wir ein Umdenken in unserem Wertesystem, das Inklusion sowie prozess- und bedürfnisorientiertes Arbeiten möglich macht. Ein feministischer Diskurs in der Circusszene ermöglicht Begegnung und Austausch, Weiterentwicklung und Selbstreflektion und so ist auch dieses aktuelle Verständnis als Momentaufnahme zu verstehen, die sich stetig verändern und entwickeln darf und soll.
Version September 2022
Leitbild
● Abbau von Diskriminierung
Die Initiative Feministischer Circus kämpft für den Abbau von Diskriminierung in der deutschsprachigen Circusszene, sowie im circuspädagogischen Bereich. Die Initiative beschäftigt sich fokussiert mit dem Abbau von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht (Sexismus und Transfeindlichkeit) und unterstützt den Kampf gegen jegliche Diskriminierungen, zum Beispiel durch Rassismus, Klassismus, Bi- und Homofeindlichkeit, sowie Diskriminierung aufgrund von körperlichen Fähigkeiten und Aussehen (Ableismus, Lookismus).
● Solidarität
Die Initiative will einen Raum des Für- und Miteinanders schaffen und fordert solidarisches Handeln. Unser Ziel ist es, ein Netzwerk aufzubauen, in dem Erfahrungen in sicherem Umfeld geteilt werden und Unterstützung bereitgestellt werden kann.
● Sensibilisierung
In der Circusszene gibt es sexistische Strukturen, für die wir als Initiative durch Informationsvermittlung sensibilisieren möchten. Wir sehen diese Strukturen im pädagogischen Bereich z.B. durch übergriffige (Lehr)Personen, sowie im professionellen Bereich z.B. durch Rollenklischees, die bestimmen, wer welche Disziplin ergreift und sich wie auf der Bühne darstellt.
In der Besetzung und Programmatik von Führungspositionen von beispielsweise Festivals und Circusschulen.
Die Initiative feministischer Circus möchte alteingesessene Muster (“Das war schon immer so, so ist das halt”) aufbrechen. Wir möchten die Circusszene und ihr Publikum sensibilisieren, sodass sie diskriminierende und sexistische Handlungsmuster erkennen. Das ist aus unserer Sicht der erste Schritt zur Veränderung.
● Empowerment
Wir glauben an das Konzept des “Empowerments”. Dies bedeutet, dass wir nach Möglichkeiten suchen, Menschen, die eine benachteiligte Position haben, sei es aufgrund von Klasse, Geschlecht, Fähigkeiten, Herkunft, Transgeschlechtlichkeit oder Aussehen, gezielt zu unterstützen um ihre Handlungsfähigkeit zu erweitern und die Chancenungleichheiten abzuschwächen.
● Schutzkonzepte
Wir fordern Schutzkonzepte zur Vermeidung von missbräuchlichem Verhalten im Circus. Ein erster Schritt ist es, das ungefragte Anfassen im Circus zu entnormalisieren und „Neins“ zu ermöglichen. In kaum einem anderen Bereich ist es so normal, andere Körper zu berühren wie im Circus. Sei es bei Hilfestellungen oder in der Gruppenakrobatik: Schon im Kindercircus wird eine scheinbare Beiläufigkeit und Normalität vermittelt, andere ohne deren explizites Einverständnis zu berühren. Diese Tatsache erleichtert übergriffiges Verhalten und Machtmissbrauch. Des Weiteren setzen wir uns für Awareness Konzepte und Safer Spaces auf Circusfestivals, in Trainings und in schulischen Kontexten ein.
● Fairness
Wie die meisten anderen Bereiche des Arbeitens und Lebens unterliegt die professionelle Szene und die Art, wie wir trainieren, dem kapitalistischen Leistungsprinzip. Durch Leistungsdruck und Ergebnisorientierung fällt Fairness in Arbeits- und Produktionsbedingungen immer wieder hinten über. Wir sprechen uns für mehr Prozessorientierung aus, die beispielsweise faire Bezahlung und fairen Umgang mit Verletzung und Schwangerschaft umfasst. Niemand sollte aufgrund von Trainings- und Produktionsdruck die eigene physische und psychische Gesundheit aufs Spiel setzen müssen.
Stand Oktober 2022